2016/2017 hat eine Gruppe aus Fachleuten der Suchtforschung und anderen Disziplinen sowie Praktiker*innen der Suchthilfe ein Memorandum erarbeitet. Es schildert die Problematiken der Stigmatisierung von Sucht und gibt Kolleg*innen sowie der Politik Handlungsempfehlungen, um diese zu beheben. Die Autor*innen des Memorandums werden am Ende der Seite vorgestellt. Die #mybrainmychoice Initiative war nicht an der Entstehung des Memorandums beteiligt. Wir verwenden es jedoch als eine der fachlichen Grundlagen für unser Projekt zur Entstigmatisierung von Sucht (folgt…
Schlagwort: Entstigmatisierung
Die Erfindung der „Sucht“ und ihre schwerwiegenden Konsequenzen
„Sucht“ – dieser Begriff ist in der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken, kaum eine Diagnose ist in der Gegenwartsgesellschaft so verbreitet. Jede erdenkliche menschliche Handlungsweise kann durch das Suffix „Sucht“ in ein problematisches Verhalten verwandelt werden (Dollinger & Schmidt-Semisch 2007: 7). Das Spektrum reicht hierbei von den „klassischen“ Drogensüchten bis hin zu Substanz-ungebundenen „Süchten“ wie zum Beispiel „Sexsucht“, „Spielsucht“, „Internetsucht“ oder „Fettsucht“. Bücher, die es der*dem Leser*in erleichtern sollen, sich aus den Fängen ihrer*seiner „Sucht“ zu befreien, sind zu einem Kassenschlager avanciert. Der Begriff „Sucht“ ist fest in unserer Alltagssprache verankert, wenngleich er nur selten wirklich hinterfragt wird. Auch in der Wissenschaft hat sich das Suchtkonzept derart verfestigt, dass es von der Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinde kaum noch als hinterfragbare Theorie angesehen wird (Frenk & Dar 2000: 1), obwohl es keine eindeutige, auf hinreichenden wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Definition für dieses Konzept gibt: „addiction is a muddy term [which] […] has passed into that group of terms that elude precise definition“ (Ray & Ksir 1987: 24,26).