Forderung 20 von 21: Öffentliche und institutionelle Aufklärung

Wir alle sind mit der Normalität des Drogenverbots aufgewachsen. Einige Mythen, Unsicherheiten, Vorurteile und längst überholte Erkenntnisse aus der Wissenschaft sind stark verbreitet.

Um auf diesen Umstand zu reagieren, muss eine Neuausrichtung der Politik Aufklärungskampagnen für die allgemeine Öffentlichkeit enthalten. Behörden und Institutionen müssen zeitgemäßes Wissen, also die Erkenntnisse aus der gesamten drogenpolitisch relevanten Forschung der letzten 5–10 Jahre vermitteln. In Staatsanwaltschaften und Gerichten, Gefängnissen, Gesundheitsämtern, Krankenhäusern, Jugendämtern und Ministerien des Bundes und der Länder sowie in Verantwortlichkeitsbereichen der Kommunen fallen Personen immer wieder mit Wissenslücken, Stereotypen oder Falschbehauptungen auf (Beispiel: der Mythos der „Einstiegsdroge“).

Schulungen der Polizei über Substanzwirkungen und Sucht sollten in diesem Zuge nicht ausgelassen werden. In diesem Zusammenhang kommt es jedoch maßgeblich darauf an, die Zuständigkeit der Polizei für soziale und gesundheitliche Konflikte und Herausforderungen im gescheiterten Drogenkrieg zu beenden (Forderungen 1, 2, 4, 17 und 18).

Auch die Presse muss sich ihrer Verantwortung in der öffentlichen Debatte über Drogenpolitik bewusst werden: Öffentlich-​rechtliche wie auch private Medienformate sind regelmäßig Multiplikatoren von irreführender, sensationalistischer Desinformation und Vorurteilen über den Gebrauch und Handel illegalisierter Substanzen. Polizeimeldungen werden ohne Gegendarstellung, Überprüfung oder Einordnung wortgleich zitiert. Den Interessenkonflikten von Polizeigewerkschaften in der Debatte über Strafverfolgung wird nur selten mit Nachfragen begegnet. Stattdessen wird ihnen eine Kompetenz zu gesundheits- und sozialpolitischen Fragen sowie zu drogenpolitischen Theorien zugeschrieben, über die sie nicht verfügen.

Berichterstattung sollte für Aufklärung sorgen und eine informierte gesellschaftliche Debatte über die Möglichkeiten des Umgangs mit psychoaktiven Substanzen in der Gesellschaft fördern, statt Desinformation, Lügen und Angstmache eine unkommentierte Plattform zu bieten.

Bereits veröffentlichte Online-​Artikel und Talkshow-​Aufnahmen müssen zur Korrektur, Aufklärung und Wiedergutmachung rückwirkend überprüft und mit Richtigstellungen versehen werden.

Die Sprache über Drogen und Sucht ist von Abwertungen und teilweise sogar Entmenschlichung geprägt. Dies betrifft insbesondere Menschen, die in Armut leben und öffentlich konsumieren. In den letzten Jahren fand hier und da bereits eine Sensibilisierung in Institutionen und Medien statt. Die sprachliche Herablassung in Medien, klassischer Presse und Social Media ist allerdings nach wie vor Alltag.

Die Vorurteile sind in vielen Köpfen fest verankert – besonders gegenüber mehrfach benachteiligten Menschen, die stark stigmatisierte illegalisierte Substanzen konsumieren. Stigmatisierung, Diskriminierung und deren schwerwiegenden Folgen bestimmen Leben und Alltag. Die Entstigmatisierung ist eine große, aber dringende Aufgabe, für die der Staat einen Teil der Verantwortung übernehmen muss.

Die Wiedergutmachung und die Sicherstellung der Nichtwiederholung der kontraproduktiven, schädlichen Drogenprohibition erfordern nicht zuletzt die wissenschaftliche Aufarbeitung der Bedeutung und Folgen für Einzelne, Deutschland und Deutschlands Rolle im internationalen Drogenkrieg als Ganzes (Forderungen 16 & 21).

Zum Weiterlesen:

Der #MyBrainMyChoice-​Aktionsplan

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