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Warum es an der Zeit ist, die Drogenpolitik grundlegend zu erneuern:

Eine erfolgreiche Drogenpolitik zeichnet sich nicht durch von der Polizei festgestellte Mengen und verhaftete Personen aus, sondern durch das Verringern – nicht wie aktuell Steigern – von Gewalt und Drogentod.

Die Ampel muss den Reformstau aufholen (und darf von der CDU/​CSU, die ihn mit all seinen fatalen Folgen verursacht hat, nicht gebremst werden)! Die Bundesländer müssen Verantwortung übernehmen.

Die von der Ampel-​Regierung im Koalitionsvertrag vereinbarten drogenpolitischen Pläne sind ein lang ersehnter Meilenstein. Die Cannabis-​Legalisierung, Verbesserung von Harm Reduction, Entkriminalisierung von Drug Checking und Einschränkungen von Tabak- und Alkoholwerbung sind bzw. werden entscheidende Schritte sein, um die lang verschleppten Notwendigkeiten zur Behebung von politischen Schäden aufzuholen. Eine deutsche Cannabis-​Legalisierung wird europaweit und international weitere Entkriminalisierungen und legale Regulierungen ins Rollen bringen und Bewegungen gegen repressive Regierungen unterstützen.

Nothing About Us Without Us! Der prinzipiell größte Fehler der deutschen (und globalen) Drogen- und Suchtpolitik ist, dass sie ohne diejenigen gestaltet wird, die sie betrifft.

Unsere Konsumkompetenzen, Erfahrungen und Wissen über risikoreduzierenden Gebrauch werden durch den irrsinnigen Blödsinn, Drogen würden dumm, verantwortungslos, kriminell und willenlos machen, marginalisiert und ignoriert. Wer sich öffentlich oder außerhalb seiner Peers zu seinem Gebrauch einer oder mehrerer illegaler Drogen bekennt, riskiert seine Glaubwürdigkeit nicht nur generell sondern paradoxerweise auch noch in dem Bereich, mit dem man sich auskennt.

Infolge der Strafbarkeit und Stigmatisierung findet der Drogenkonsum im Verborgenen und unter den intransparenten und ungeschützten Bedingungen des illegalen Marktes statt. Wir werden beim Konsum und bei der Beschaffung Risiken und Schäden ausgesetzt, die durch die Verbotspolitik erst geschaffen werden. Safer Use Praktiken und Utensilien gibt es dank zivilgesellschaftlicher Initiativen, sind aber durch fehlende öffentliche Aufklärung zu wenigen bekannt. Der Strafverfolgung fehlt es an Legitimation.

Der regelmäßige und unregelmäßige Gebrauch diverser Drogen gehört seit jeher zur Menschheit dazu, wohingegen die derzeitige global verbreitete Prohibition bestimmter Substanzen historisch jung ist. Menschen nehmen Drogen, daran lässt sich nichts ändern. Daher braucht es einen legalen Drogenhandel ohne Gewalt und Leid.

Internationalen Drogenkrieg deeskalieren

Die Schlagzeilen über Drogenfunde und organisierte Kriminalität sind oft groß. Immer und immer wieder wird dann Forderungen nach einer weiteren Aufrüstung der Sicherheitsbehörden Raum gegeben und Kokainabhängigkeit problematisiert (als ob Menschen mit einer Kokainabhängigkeit, vermeintliche Opfer und Schuldige des Kokainhandels, in der moralischen Pflicht stündigen, abstinent zu werden und dann gäbe es keinen Kokainhandel mehr; eine in allen Aspekten völlig realitätsferne und stigmatisierende Darstellung des Kokaingebrauchs sowie der politischen und ökonomischen Sachverhalte um den florierenden illegalen Drogenhandel). Daneben kommen konkrete Strategien zur Lösung der Probleme für Gesundheit, Sicherheit und Menschenrechte, die mittlerweile von vielen verschiedenen Expert*innen-Gruppen vertreten werden, leider noch vergleichsweise kurz.

Drug Checking, Safe Supply, Legale Regulierung

Damit die Konsumierenden sicher wissen, was sie erwerben und in welcher Dosis, müssen die psychotropen Substanzen verlässlichen Qualitätskontrollen unterliegen und mit entsprechender Kennzeichnung erhältlich sein. So können ungewollter Konsum gefährlicher Beimischungen und Überdosierungen vermieden werden. Safe Supply-Modelle mit all den gängigen illegalen Drogen richten sich speziell an abhängige und vulnerable Personen. Eine legale Regulierung, die alle Konsumierenden schützt und den illegalen Markt nachhaltig ablöst, kann darüber hinaus über staatlich lizenzierte Fachgeschäfte mit speziell geschultem Personal, Eigenanbau und ‑herstellung sowie Social Clubs (Genossenschaftsmodelle) realisiert werden. Solange die Nachfrage noch nicht über ein legales Angebot gedeckt wird, kann die Zulassung und Förderung von Drug Checking Risiken und Schäden reduzieren.

Es braucht Forschung über die Freude mit Drogen. Welche Strategien funktionieren?

Drogengebrauch ist ein Spektrum, ebenso wie problematischer Drogengebrauch. Eine Person kann zudem unkomplizierte Freude und Bereicherung mit einer Droge erfahren und mit einer anderen Schwierigkeiten haben. Die Erfahrungen mit Drogengebrauch schwanken von Party zu Party, von Lebensphase zu Lebensphase; man denke nur an die eigene Beziehung mit Alkohol, die in den meisten Fällen über viele turbulente, aber überwiegend positive und bereichernde Erfahrungen zurückreicht. Die einen Drogen mag man je nach Situation lieber als die andere und je mehr Erfahrung man hat, desto besser kann man es steuern. Vieles passiert aber auch einfach irgendwie. Drogengebrauch ist untrennbar mit Kunst, Musik, Literatur, Traditionen, Wochenenden, besonderen Anlässen verbunden. Und das ist gut so!

Mehr offene Gespräche, mehr Zusammenhalt, gegen das Stigma

Dass Drogengebrauch nicht immer einfach ist und manche eine chronische Substanzkonsumstörung entwickeln – oft in Verbindung mit Kriminalisierung, Stigmatisierung, Diskriminierung, Wohnungslosigkeit, Traumata (oder im Falle von Tabak Misinformationskampagnen der Industrie und unterlassenes politisches Handeln) – sollte nicht zusätzlich mit Angst, Scham und Schweigen verbunden werden. Leider gibt es aber oft nur eine zu kleine Auswahl an Hilfsangeboten, die unterfinanziert sind, und Angehörige werden mit Unsicherheiten, Schuldgefühlen und Stigma alleine gelassen.

Dabei hilft der „nüchterne“ Blick auf die Fakten: Der meiste Drogengebrauch ist nicht Sucht. Einmaliger Drogengebrauch führt nicht zu Sucht (da Sucht ein bio-​psycho-​sozialer Komplex ist). Regelmäßiger Drogengebrauch ist nicht gleich Sucht. Es gibt keine „Einstiegsdrogen“, sondern verschiedene Drogen sind unterschiedlich beliebt und verbreitet. Sucht ist behandelbar. Abstinenz ist eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten von Substanzgebrauchsstörungen. Das Gegenteil von Sucht ist nicht Abstinenz, sondern Verbindung. Weil der Zugang zu bestmöglicher gesundheitlicher Versorgung ein Menschenrecht ist, engagieren wir uns für den Abbau von politischen (polizeiliche Verfolgung, Angstmache) und gesellschaftlichen Blockaden (z. B. „Drogenkonsumräume nicht in meiner Nachbarschaft“).


In unserem Blog kannst du dich weiter zu den Themen Drogenpolitik, Harm Reduction, Drogentod, Stigmatisierung und Drogengebrauch belesen. Unsere Artikel enthalten ein umfangreiches Quellenmaterial, das unsere Aussagen nachvollziehbar macht, aber auch als Ausgangspunkt genutzt werden kann, sich tiefergehend einzuarbeiten.