Forderung 8 von 21: Kursänderung in der Investitionspolitik

Die staatlichen Investitionen stehen in einem Missverhältnis. Während der Ansatz der Strafverfolgung floriert, wird die niedrigschwellige Suchthilfe mit Sparmaßnahmen konfrontiert. Es ist Zeit für eine Kursänderung. Ziel muss sein, jungen Menschen und Erwachsenen Perspektiven für ein gutes Leben zu bieten bzw. nicht zu verbauen.

Es braucht einerseits Investitionen in die Einrichtung und den Ausbau von Hilfsangeboten, beispielsweise niedrigschwellige Drogenberatungen und Streetwork. Andererseits braucht es Investitionen zur Behebung struktureller Defizite, um die allgemeinen Bedingungen für ein gutes Leben zu verbessern. Dazu gehören neben der Entkriminalisierung und Legalisierung (Forderung 1) ebenfalls Investitionen in die Aufhebung des Stadt-​Land-​Gefälles in der gesundheitlichen Versorgung, in Bildungsgerechtigkeit, die Beendigung von Kinderarmut, die Beendigung von Wohnungsnot, Notunterkünfte, Zufluchts- und Schutzorte vor Gewalt innerhalb der Familie und in Partnerschaften, sexualisierter Gewalt und Ausbeutung. Die Bekämpfung von individuellen und gesellschaftlichen Belastungen wie Hassverbrechen, Perspektivlosigkeit am Arbeitsmarkt und wachsender sozioökonomischer Ungleichheit müssen zur Priorität gemacht werden.

Die Finanzierung von Gesundheitsförderung und Schadensminderung ist überwiegend Aufgabe der Bundesländer. Im vergangenen Jahrzehnt hat es kaum eine Erhöhung von Zuwendungen gegeben, um die immer vielfältiger werdenden Aufgaben dieser Einrichtungen zu gewährleisten. Statt finanzielle Mittel zusätzlich zu kürzen, muss die Unterfinanzierung enden.

Durch die vollumfängliche Realisierung von Kinderrechten, worunter zum Beispiel Investitionen in öffentliche Jugendeinrichtungen fallen, würde ein immenser Beitrag zur psychosozialen Gesundheit von jungen Menschen geleistet werden, der einen signifikanten Einfluss auf das Konsumverhalten von vor allem sozioökonomisch benachteiligten Jugendlichen ausübt. Jugendliche brauchen Orte, an denen sie ihre Peer-​Beziehungen pflegen können und die geschützt und von vertrauensvollen Erwachsenen beaufsichtigt sind (Forderung 13).

Investitionen in den Sozialstaat sind Investitionen in die Gesundheit der Einzelnen und in das Wohlergehen einer Gesellschaft. Der Gebrauch illegalisierter Substanzen dient oft als Erklärung für sozial- und wirtschaftspolitische Missstände. Das lenkt von den eigentlichen Problemen und deren sozial- und wirtschaftspolitischen Lösungen ab, deren Thematisierung mehrheitlich nicht erfolgt.

Gelder aus dem gescheiterten Drogenkrieg müssen nicht nur in Hilfesysteme, sondern auch gezielt in die Bevölkerungsgruppen und Nachbarschaften umgelenkt werden, die unverhältnismäßig stark von Polizei und Justiz verfolgt und bestraft wurden (Forderungen 16 & 18).

Seit ein paar Jahren nimmt die Einschüchterung engagierter Zivilgesellschaft international an vielen Orten und auch in der EU überhand. In vielen anderen Ländern der Welt sind drogenpolitisches Engagement und der Einsatz für die Gesundheitsrechte von Konsumierenden mit Drohungen und staatlicher Einschüchterung verbunden. Die „shrinking spaces“ („schrumpfenden Räume“) für gesellschaftliches Engagement werden auch in Deutschland spürbarer. Mit öffentlichen Investitionen in unabhängiges demokratisches Engagement sichert sich eine Gesellschaft physische und geistige Räume, in denen politische und gesellschaftliche Visionen diskutierbar bleiben.

Zum Weiterlesen:

Der #MyBrainMyChoice-​Aktionsplan

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