Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) führt das Substitutionsregister. Alle Ärzt*innen, die Substitutionsmittel für Opioidabhängige verschreiben, haben der Bundesopiumstelle im BfArM unverzüglich die vorgeschriebenen Angaben zu melden.
Die Meldungen der substituierenden Ärzte erfolgen im gesicherten Online-Verfahren über den beim BfArM eingerichteten Formularserver oder schriftlich auf dem Postweg. Die Patient*innencodes werden nach Erfassung aus datenschutzrechtlichen Gründen unverzüglich in ein Kryptogramm verschlüsselt.
Das Substitutionsregister leistet als bundesweites Überwachungsinstrument auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen einen wichtigen Beitrag zum Patient*innenschutz sowie zur Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs im Rahmen der Substitutionsbehandlungen.
Was ist mit 1.200 Patient*innen geschehen?
Die Anzahl der gemeldeten Substitutionspatient*innen ist in den letzten zehn Jahren leicht angestiegen. Zu Beginn der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 war ein erhöhter Anstieg zu verzeichnen. Nun aber zeigt sich ein deutlicher Rückgang der Zahl substituierter Personen. (Siehe Bericht vom Januar 2025: Seite 2, PDF) So wurden zum Stichtag 1. Juli 2024 1.200 Patient*innen weniger behandelt als im Jahr 2023. Leider bleibt der Bericht jegliche Antwort zu den Gründen dieses doch auffälligen Rückgangs schuldig.
Die Zahl der Ärzt*innen bleibt stabil, aber auf niedrigem Niveau
2024 haben insgesamt 2.434 Substitutionsärzt*innen Patient*innen an das Substitutionsregister gemeldet. So zeigt sich nur eine Abnahme von zwei (2) Ärzt*innen gegenüber dem Vorjahr (Seite 3).
539 Ärzte, also etwa 22% der substituierenden Ärzt*innen, nutzten 2024 die Konsiliarregelung
So können Ärzt*innen ohne suchtmedizinische Qualifikation bis zu zehn Patient*innen gleichzeitig substituieren, wenn sie eine*n suchtmedizinisch qualifizierte*n Ärzt*in als Konsiliarärzt*in in die Behandlung einbeziehen. Die Ärzt*innen, welche die Konsiliarregelung nutzten, haben rund 1,8% aller Substitutionspatient*innen behandelt.
Was bleibt ist, dass jede*r Fünfte Behandler*in keine Fachkunde besitzt und somit auch die Zahl der maximal zu behandelnden Patient*innen auf 10 Patient*innen limitiert ist. Dies bedeutet, dass diese große Gruppe von Ärzt*innen nur 1,8% aller Patient*innen behandelt.
Im Umkehrschluss werden 98,2% der Patient*innen von den dann nur noch 1.895 Ärzt*innen mit einer Fachkunde behandelt. So lassen sich vielleicht auch die großen Gruppen von 300–500 Patient*innen in manchen Praxen erklären. Auch hier trifft der Bericht keine Aussage darüber wieviele Ärzt*innen von Juli 2023 bis Juli 2024 die Möglichkeit nutzten, eine Fachkunde zu erwerben, um dann auch mehr Patient*innen behandeln zu können.
Kein Zuwachs an Patient*innen, die mit Buprenorphin behandelt werden
Mehr als Zweidrittel der Patient*innen (71,5%) werden aktuell mit Levomethadon oder Methadon, also mit Vollagonisten, behandelt (Seite 4). Hierbei ist der Anteil an Levomethadon in den letzten 10 Jahren kontinuierlich leicht angestiegen, während der Anteil von Methadon gesunken ist (Seite 5).
Der Anteil von Buprenorphin liegt seit einigen Jahren konstant bei etwa 23%. Im Jahr 2023 haben – wie auch im Vorjahr – 14 Einrichtungen in sieben Bundesländern (BE, BW, BY, HE, HH, NI, NW) Substitutionsbehandlungen mit dem Substitutionsmittel Diamorphin durchgeführt. Am Stichtag 01.07.2024 waren 1.450 Patienten gemeldet, die mit Diamorphin substituiert werden.
Kommentar des JES-Bundesverbands
Auffällig ist, dass weiterhin Vollagonisten wie Levomethadon, Methadon und retardiertes Morphin die Mittel der Wahl sind. So werden insgesamt 3 von 4 Patient*innen (76%) mit Vollagonisten behandelt. Hiermit bestätigt sich unserer Ansicht nach, dass trotz moderner Wirkstoffe mit deutlich geringeren Risiken und längerer Wirkdauer, nach dem Motto „Einstieg mit Pola oder Metha“ verfahren wird. Wenn dies der Wunsch der Patient*innen ist, dann ist das völlig okay. Allerdings fragen wir uns schon, inwieweit neue Patient*innen über andere Wirkstoffe informiert werden.
Seit mehr als 20 Jahren brilliert der Bericht der Bundesopiumstelle durch ein Minimum an Informationen. Der Bericht zeigt keine Innovationen und keinen tieferen Einblick in Veränderungen. So wäre Beispielsweise interessant wie die immense Zahl von 85.100 An‑, Ab- bzw. Ummeldungen von Patientencodes im Detail zu erklären sind.
Für das Jahr 2024 schweigt sich der Bericht zudem darüber aus, welche Regionen und Kreise über keine Versorgung mit einer opioidgestützten Behandlung verfügen.
Auch der Rückgang der Zahl substituierter Patient*innen von 1.200 Personen findet im Bericht keine Erklärung. Es wäre sicherlich ein einfaches den Bericht an aktuelle Erfordernisse und Entwicklungen anzupassen und z. B. zu erläutern, ob es sich bei den 1.200 Patient*innen um regelhafte Beendigungen oder Behandlungsabbrüche handelt.
Über die Form des Berichts hinaus machen die Zahlen deutlich, dass wir uns alle Gedanken machen müssen, wie wir, auch im Lichte synthetischer Opioide, mehr Menschen auf verschiedene Weise für die Substitutionsbehandlung interessieren können. Hierzu muss sich die Substitution als eher hochschwellige Behandlungsform in einer ärztlichen Praxis verändern.
Die Überschrift, Hervorhebungen und Verlinkungen wurden von der My Brain My Choice Initiative verändert bzw. ergänzt. Der Original-Titel lautet: „Same procedure as last year? Ein Einblick in die aktuellen Daten des Substitutionsregisters“
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