Diamorphin-​gestützte Behandlung: Richtung Ziel mit kleinen Schritten

Dieser Artikel erschien zuerst im Drogenkurier, dem Magazin des JES-​Bundesverbands. Wir danken dem JES-​Bundesverband für die Erlaubnis zur Zweitveröffentlichung. Alle Ausgaben des Drogenkuriers und das Bestellformular fürs Abo finden sich hier. Alle Ausgaben stehen zudem kostenlos als PDF-​Download zur Verfügung. Dieser Artikel stammt aus Ausgabe 141, die hier vollständig gelesen werden kann.

Autor: Dirk Schäffer

Wir hatten schon gedacht, dass die Bundesregierung ihre Zusage nicht mehr einhalten würde, im Jahr 2024 eine Veränderung der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung im Hinblick auf die Behandlung mit Diamorphin zu verabschieden.

Dann kurz vor Weihnachten lag doch ein Referent*in­nen­entwurf vor, der Neuregelungen für die Diamorphinbehandlung vorsah.
Sowohl JES als auch die Deutsche Aidshilfe hatten im Vorfeld in verschiedenen Arbeitsgruppen mitgewirkt, um dem Bundesministerium Vorschläge für notwendige Veränderungen der Diamorphinbehandlung zu machen.

Veränderungen die lange erforderlich waren

Nun liegen die Veränderungen für die Behandlung mit Diamorphin also vor. Man kann konstatieren, dass wichtige Schritte in die richtige Richtung gegangen wurden, aber der unserer Ansicht nach notwendige letzte Schritt zum Ziel wurde nicht getan.

Nachfolgend stellen wir die Veränderungen in Form einer Synopse vor. Hierbei sind die bisherigen Regelungen auf der linken Seite zu finden während die neuen Regelungen auf der rechten Seite der Tabelle beschrieben sind.

Bild: © PATRIDA

Diamorphin bleibt ein Medikament der zweiten Wahl

Alle vorgenommenen Veränderungen sind richtig und wichtig. Der Zeitraum der Opioidabhängigkeit wurde von 5 Jahre auf 2 Jahre reduziert und das Mindestalter auf 18 Jahre abgesenkt. Die Voraussetzung des intravenösen Konsums wurde gleich ganz gestrichen und nun sind keine schwerwiegenden psychischen und somatischen Störungen mehr erforderlich.
Eine Behandlung kann auch ohne PSB initiiert werden, die PSB muss aber zeitnah nach dem Behandlungsbeginn erfolgen.
Unserem großen Wunsch, dass opioidabhängige Menschen auch ohne vorherige orale Substitution Zugang zur Diamorphinbehandlung erhalten, wurde nicht entsprochen. Zwar wurde auch diese Hürde reduziert aber weiterhin ist die Behandlungsaufnahme ohne Vorbehandlung nicht möglich. Dies bedeutet für die Praxis, dass solche Patient*innen auch zukünftig abgewiesen werden müssen.

Unser Resümee bleibt allerdings verhalten positiv. Die Richtung stimmt, und wir werden sehen was in der Folge passiert.

Das Gesetz ermöglicht seit Jahren den Einsatz von Diamorphintabletten, die es in Deutschland immer noch nicht gibt. Aber auch hier ist Licht am Ende des Tunnels. Nach unseren Informationen befindet sich eine Studie in Vorbereitung, die die Zulassung einer Diamorphintablette zum Ziel hat.

ALTNEU
Die diamorphin-​gestützte Behandlung war zulässig, wenn die Opioidabhängigkeit des Patienten seit mindestens fünf Jahren besteht,Die diamorphin-​gestützte Behandlung ist zulässig, wenn die Opioidabhängigkeit des Patienten seit mindestens zwei
Jahren besteht,
der Patient das 23. Lebensjahr vollendet hat.der Patient das 18. Lebensjahr vollendet hat,
verbunden mit schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen bei derzeit überwiegend ­intravenösem Konsum vorliegt,der Patient erhebliche Defizite im medizinischen, psychologischen oder sozialen Bereich aufweist, die jeweils auf den
Konsum illegal beschaffter Opioide zurückzuführen sind,
ein Nachweis über zwei erfolglos beendete Behand­lungen der Opioidabhängigkeit vorliegt, von denen mindestens eine eine sechsmonatige Behandlung
nach § 5 sein muss
ein Nachweis über die Behandlung der Opioidabhängigkeit
nach § 5 vorliegt, die mindestens sechs Monate durchgeführt wurde,
In den ersten sechs Monaten der Behandlung müssen Maßnahmen der psychosozialen Betreuung stattfinden.im Verlauf der ersten sechs Monate der Behandlung müssen zeitnah Maßnahmen der psychosozialen Betreuung begonnen werden.
Vorwiegend intravenöser Konsum– – – – – – – – – –

Schwierige Situation in NRW setzt sich fort

Einige hatten Sorge, dass die Diskussionen um die neu eingerichteten Standorte zur Diamorphinbehandlung der MEDIKUS-​Gruppe in NRW Auswirkungen auf die gesamte Behandlung mit Diamorphin haben könnte. Obwohl das Thema MEDIKUS Wellen bis nach Berlin geschlagen hat, wurden die Regelungen überprüft und überarbeitet.

Zu unserer großen Freude ist es für den Standort Bielefeld nun gelungen, doch eine Kooperation mit der Drogenhilfe Bielefeld zu schmieden: die Voraussetzung für den Beginn der Behandlung mit Diamorphin. Anders verhält es sich z. B. in Dortmund, wo es eine Komplettverweigerung aller Drogenhilfeträger hinsichtlich einer Kooperation mit der MEDIKUS Praxis gibt. Dies hat zufolge, dass Dortmunder Pa­ti­entinnen weiterhin keine Möglichkeit der Diamorphinbehandlung zur Verfügung steht. Die Beweggründe für diese Verweigerung sind vielfältig. Mal ist es die Behandlungsqualität, die in Zweifel gezogen wird, mal ist es die Angst vor Mitbewerberinnen im Feld der Substitutionsbehandlung, mal ist es die persönliche Abneigung gegen das MEDIKUS Modell. ­Eine geradezu haarsträubende Berichterstattung der CORRECTIV Redaktion, die MEDIKUS vorwarf, junge Menschen „an die Nadel“ zu bringen und immense Einnahmen durch die Diamorphinbehandlung zu generieren , tat ihr übriges dazu. Die Berichterstattung gipfelte darin, dass die Arbeit von Herr Dr. Plattner und MEDIKUS mit dem unverantwortlichen Agieren des Pharmaunternehmens PURDUE verglichen wurde. In den USA wurden unter anderem durch eine unverantwortliche Vermarktung des Medikaments Oxycodon und mit falschen Versprechen Millionen Menschen in eine Opioidabhängigkeit getrieben. Viele dieser Menschen sind heute abhängig von illegalem Heroin und Fentanyl.


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