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Bild: AbsolutVision (Unsplash)

Der Drogen- und Suchtrat 2004–2016

Nicht zu verwechseln mit der Drogen- und Suchtkommission (1999 – 2002) ist der Drogen- und Suchtrat, der 2004 erstmals einberufen wurde und im Zeitraum seines Bestehens vier verschiedene Bundesdrogenbeauftragte in ihrer Arbeit unterstütze. Nicht minder skandalös verhält es sich aber auch mit diesem Organ: die längste Zeit seiner Tätigkeit war weder die personelle Zusammensetzung noch die konkreten Ziele und erarbeiteten Ergebnisse bekannt. Auch heute sind betreffende Informationen nur fragmentarisch verfügbar und mühsam zu ermitteln. Einen systematischen Überblick gibt es also nicht, erst recht nicht seitens der eigentlich zu Transparenz verpflichteten Bundesregierung.

Nachdem der Rat bereits 7 Jahre tätig war, veranlasste erst Anfang 2011 eine kritische Nachfrage via Abgeordnetenwatch die damalige Bundesdrogenbeauftragte, Mechthild Dyckmans (FDP), zu einer Stellungnahme, aus der vor allem folgende Bemerkung heraussticht:

Die Namen der Vertreter der jeweiligen Organisationen werden nicht veröffentlicht. Die Sitzungen sind nach der Geschäftsordnung des Drogen- und Suchtrats nicht öffentlich, daher werden auch die Sitzungsprotokolle nicht veröffentlicht.“

Begründet wurde diese Entscheidung nicht, somit handelte es sich beim Drogen- und Suchtrat offiziell um einen Geheimrat.

Ein Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz bewirkte 2012 schließlich eine Einsicht in die Akten zur personellen Zusammenstellung, deren Begründung und nicht zuletzt die Zielsetzungen des Rats. In einem Schreiben vom 23. Juli 2010 (ab Seite 5) heißt es:

Am 26. Juni 2003 hatte das Bundeskabinett den „Aktionsplan Drogen und Sucht“ beschlossen. Das übergeordnete Ziel des Aktionsplans war die Reduzierung drogen- und suchtbedingter Probleme. Die Umsetzung dieses Aktionsplans sollte einvernehmlich zwischen dem Bund und den Ländern erfolgen. Daher wurde von Bund und Ländern gemeinsam im Jahr 2004 der Drogen- und Suchtrat ins Leben gerufen, der die Umsetzung des Aktionsplans Drogen und Sucht begleiten sollte.“

Diese Zielsetzungen werden zusätzlich in einem Arbeitsprogramm von 2006 erläutert, das allerdings scheinbar ausschließlich vom akzept e.V. archiviert wurde.

Der „Aktionsplan Drogen und Sucht“ (dankenswerterweise ebenfalls nur über akzept e.V. und die Drug Scouts Leipzig verfügbar) verfolgt demzufolge primär eine

Reduzierung des Konsums von legalen und psychoaktiven Substanzen sowie die Verringerung von stoffungebundenen Süchten, da hiermit auch eine Verringerung der mit dem Konsum und Konsumverhalten verbundenen gesundheitlichen, psychosozialen und wirtschaftlichen Risiken und Probleme verbunden ist.“

Mit dem Gebrauch legaler und illegaler Drogen in Verbindung stehende Herausforderungen sollen also einfach durch maximale Abstinenz gelöst werden – ein Ansatz, der so weit von der Realität entfernt ist, dass er in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich scheiterte.

Warum dennoch daran festgehalten und kein progressiverer Weg verfolgt wird, wie er durch die Empfehlungen der Drogen- und Suchtkommission hätte geebnet werden können, wird durch einen Blick auf die Rats-​Mitglieder plausibel:

In der exklusiven Zusammensetzung aus Vertreter:innen der Bundesressorts, der Länder und kommunalen Spitzenverbänden sowie der Suchthilfe und ‑forschung, Bundesagentur für Arbeit, Bundesärtzekammer und Verbänden der gesetzlichen Krankenkassen ist unabhängige wissenschaftliche Expertise nicht erkennbar. Durch die Auswahl der Vertreter:innen seitens der eigenen Reihen ließ sich offenbar sicherstellen, dass die parteiideologisch populäre Abstinenz-​Orientierung unangefochten blieb; unabhängige Forscher:innen sucht man vergebens, ebenso kulturwissenschaftliche und sozialpädagogische Disziplinen, die für ein ausgewogenes Gremium wichtig wären.

Wie es scheint, endete das Wirken des Rates in der Amtsperiode von Marlene Mortler (2014 – 2019, CSU). 2014 wurden zunächst zwei verschiedene Arbeitsgruppen gebildet, die 2016 Ergebnisse zur „Prävention von Internetbezogenen Störungen“ und der „Teilhabe von Suchtkranken am Arbeitsleben“ vorlegten; darauf folgende Aktivitäten sind unauffindbar. Unter der aktuellen Bundesdrogenbeauftragten, Daniela Ludwig (CSU), ist eine neue Konstituierung des Rats bislang nicht erfolgt. Warum, ist unklar.

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