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Bild: Wyron A. (Unsplash)

Eigenverantwortung zutrauen statt dämonisieren!

Der Redebeitrag von Elli Schwarz zur Hanfparade 2021

Fast die Hälfte, 47,2%, aller jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren in Deutschland, hat schon mal eine illegale Droge ausprobiert. Drogengebrauch passiert alltäglich. Das wissen wir alle. Nur unsere Regierung verdrängt diesen Fakt sehr gerne. Menschen werden so oder so nicht aufhören Drogen zu konsumieren, nur weil die Politik seit Jahrzehnten erfolglos versucht es zu verbieten! Prohibition ist nicht gesund; im Gegenteil: sie macht uns alle krank.

Denn Drogenkonsum umgibt uns alle und kann medizinisch essentiell z.B. zur Schmerztherapie sein. Ebenso kann er kulturell wertvoll sein und Menschen eine neue Perspektive einnehmen lassen. Und ob man den gewünschten Zustand durch ein Paar Gläser Wein oder einen Joint erreicht, sollte doch eigentlich niemanden außer die Gebraucher:innen etwas angehen, oder? 

Anstatt jedoch weiterhin die Realität zu verdrängen und hauptsächlich oder ausschließlich den Konsum von legalen Drogen zu beachten, brauchen wir eine gesundheitsorientierte Drogenaufklärung und nicht (nur) ‑prävention, die uns nur die negativsten Effekte illegaler Substanzen zeigt und das Vermeiden von Konsum als Ziel hat. Wir brauchen eine Aufklärung, die uns die Fakten über Substanzen und Abhängigkeit schildert und ebenso Safer Use näher bringt und das nicht nur von Alkohol und Koffein. Dazu müssen wir auch wissen, welche Substanzen gut kombinierbar sind und welche nicht. Es ist wichtig, die realen Konsequenzen von allen Substanzen zu betrachten; egal ob legal oder illegal. 

Solange die meisten berauschenden Drogen jedoch illegal sind, ist es, trotz Safer Use Strategien, schwierig sie so sicher und gesundheitlich unproblematisch wie möglich zu gebrauchen. Die wenigsten Produkte des illegalen Marktes sind rein, auch Cannabis nicht. Dies kann zum Beispiel mit synthetischen Cannabinoiden gestreckt sein, welches deutlich stärker wirkt und schädlicher ist als der Konsum von üblichem Cannabis mit THC, da es schneller zu psychotischen Reaktionen und in den schlimmsten Fällen zum Tod führen kann. Z.B. im Jahr 2020 starben allein in Deutschland neun Menschen durch den Konsum von synthetischen Cannabinoiden. 

Nach nun mehr als 2 Jahren Warten ist es höchste Zeit, das Drug Checking Projekt in Berlin endlich in Gang zu setzen! In Thüringen hat man nun die Möglichkeit Drogen bewusster zu konsumieren, da dort im Juli 2021 das erste Drug Checking Projekt in Deutschland starten durfte. Wir brauchen mehr solcher Angebote in ganz Deutschland! Und darum muss unsere Bundesregierung Drug Checking gesetzlich eindeutig ermöglichen! 

Außerdem brauchen wir mehr öffentliche Plattformen, um Information über Drogen, Sucht und Therapiemöglichkeiten im Falle eines Abhängigkeitsverhältnisses zu verbreiten! Dazu müssen die Angebote ausgeweitet werden können! Allerdings steht für die Bundesregierung die Strafverfolgung stets im Vordergrund. Es werden immer noch 80% der Mittel, die für Drogenpolitik zur Verfügung stehen, in die Kriminalitätsbekämpfung gesteckt und nur 20% in Prävention und Hilfe! Es ist also noch deutlich Luft nach oben. 

Und darum brauchen wir eine Legalisierung! V.a. Bei Cannabis wird es Zeit! Der real passierende Drogengebrauch sollte nicht als kriminell stigmatisiert sein und so gesund wie möglich gestaltet werden können. Somit kann man Risiken beim Gebrauch, die durch Prohibition und den dadurch entstandenen illegalen Markt aufkommen, minimieren. Wir brauchen mehr zugetraute Eigenverantwortung und weniger Dämonisierung von allen Drogenkonsument_​innen, auch denjenigen, die auf Substanzen angewiesen sind, um durch den Alltag zu kommen!

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About:

Elli Schwarz, die in Berlin aufgewachsen ist, studiert International Relations und Soziologie an der University of Glasgow. Sie engagiert sich insbesondere für die Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von Drogengebraucher:innen und wirklichen (Kinder- und Jugend-)Schutz beim Drogenkonsum durch Aufklärung, Safer Use und Harm Reduction-​Strategien wie z.B. Drug Checking. Dabei macht sie auf die Schäden, die durch Prohibition und einen sinnlos geführten Drogenkrieg gegen Menschen und Substanzen aufgekommen sind, aufmerksam und setzt sich für ein Ende dessen ein. Wer in Glasgow lebt, kann sich Ellis Students for Sensible Drug Policy (SSDP) Gruppe, die sie gerade gründet, anschließen (auch Nicht-​Studierende). Schreib uns bei Interesse eine Nachricht.

Organisation: Hanfparade, auf dem Paradewagen der Linkspartei
Unser Redebeitrag von der Hauptbühne: Frau Ludwig, niemand ist uncool.


Zum Weiterlesen:

#mybrainmychoice-Gastbeitrag: „Der meiste Drogenkonsum ist nicht nur gesundheitlich unproblematisch, sondern auch sozial und kulturell wertvoll.“

Hanfverband: Meldungen zu Cannabis, welches mit NPS, wie z.B. synthetischen Cannabinoiden gestreckt ist und hier

Vice: Artikel über chemisch gestrecktes Cannabis und die Ignoranz der Bundesregierung

Niema Movassat: Rede des Bundestagsabgeordneten zur Cannabislegalisierung, 29.10.2020

Mehr Informationen über das Drug Checking Projekt in Berlin von Vice und Rbb

HIV Magain: Drug Checking Projekt in Thüringen

BzgA Jugendaffinitätsstudie: Zahlen zum Drogenkonsum Jugendlicher und junger Erwachsener, 2019

Alternativer Drogen- und Suchtbericht: 2021

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