1. Strafverfolgung
Personen, die mehr als die legal definierte Menge an Cannabis mit sich führen, Personen, die andere Drogen bei sich tragen als die als legal definierten und Personen, die unter gesellschaftlich benachteiligten Bedingungen „Drogendelikte begehen“, müssen vor einer Verschiebung der Polizeiressourcen zu ihrem Nachteil bewahrt werden. Es muss ausgeschlossen werden, dass eine Entbürokratisierung der Polizeiarbeit durch das CanG zu einer Intensivierung bestehender Polizeiarbeit in der „Drogenbekämpfung“ führen kann. International wurde dieser Effekt im Kontext von Entkriminalisierungen bereits als „Political Red Herring“ (in etwa: Politisches Ablenkungsmanöver) benannt (siehe INPUD, 2021). Dieser Effekt tritt ein, wenn Straftatbestände bei einer Gesetzesreform durch neue strafrechtliche Vergehen oder Ordnungswidrigkeiten ersetzt werden. (Siehe auch: idpc „20 Grundsätze für eine sozial gerechte Legalisierung“, Punkte 15 & 16)
2. Grundsatz des fairen Marktzugangs verankern
Der Zugang zu legalen Strukturen des Cannabismarktes muss niedrigschwellig gestaltet werden. Eine Überregulierung von Anbauclubs kann, ohne gegensteuernde Maßnahmen (wie unter anderem zinsfreie Kredite für Gründer*innen, siehe „Cannabis Regulieren“ Kapitel 2g), zu einem praktischen Ausschluss von Menschen führen, die vergleichweise über weniger Ressourcen verfügen. Auch darf es Menschen, die Anbauclubs leiten oder sich für eine Anstellung bewerben möchten und die in der Vergangenheit oder aktuell für „Cannabisdelikte“ Strafen erfahren (haben), nicht per Gesetz erschwert oder ihnen verboten werden, am neuen legalen Cannabismarkt teilzuhaben. Derartige Vorschläge, die Menschen mit Vorstrafen per Gesetz von der Teilhabe am Markt ausschließen sollen, sind nicht nur unfair, sondern sie auch kontraproduktiv für das Ziel der Ablösung des illegalen Marktes (weiteres zur Tilgung von Vorstrafen, siehe „Cannabis Regulieren“ Kapitel 3a). Auch eine nicht-gewinnorientierte Regulierung von Anbauclubs schafft einen begrenzten legalen Markt. Auch hier muss sich eine Gesetzgebung bereits zum Ziel setzen, möglichst viele Personen, die jetzt in den illegalen Strukturen arbeiten, in den legalen Markt zu überführen.
3. Gesundheitsrechte
Es ist zu verhindern, dass eine praktische Auslegung des CanG dazu führen kann, die Menschenrechte von Menschen, die illegale Drogen nehmen und/oder möglicherweise eine Abhängigkeit haben, noch weiter verletzt werden. Die Idee, dass Menschen von der Polizei in eine Behandlung zu überführen seien, bricht mit dem menschenrechtlichen Grundsatz auf Freiweilligkeit von (Nicht-)Behandlung (siehe: UN experts call for end to global ‘war on drugs’ / „UN-Expert*innen fordern die Beendigung des weltweiten „Kriegs gegen Drogen““). Dies ist nicht „nur“ ein idelles Prinzip, sondern die Kriminalisierung ist ein praktisches Hindernis für den Behandlungserfolg. Aus diesem Grund unterstützen Suchtexpert*innen eine Entkriminalisierung und (begrenzte Formen der) Legalisierung von Cannabis bei gleichzeitiger Verbesserung und flächendeckenden evidenzbasierter Behandlungsansätze, was heißt, eine Gleichstellung zu anderen Gesundheitsdiensten (siehe u.a. „Suchtexpert*innen für die Cannabislegalisierung“).
4. Der prinzipielle Ausschluss von Personen, die illegale Drogen nehmen, in der Politik muss dringend beendet werden: Es braucht die Verankerung der Teilhabe im CanG!
Die regelmäßige Mitwirkung der Personen, die das Gesetz betrifft, muss im Gesetzgebungsprozess und bei der Evaluation des CanG zentral verankert werden. Das wesentliche Problem von Drogen- und Suchtpolitik ist, dass sie weitgehend ohne die Menschen gemacht wird, auf die sich die Entscheidungen auswirken. Auch wenn man sich beim CanG um Mitwirkung und Teilhabe bemüht, reichen vereinzelte Aufrufe zur Meinungsäußerung nicht aus, um ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Interessensgruppen herzustellen. Eine Folge der Kriminalisierung und Stigmatisierung ist, dass sich Menschen, die illegale Drogen nehmen, mit ihrer Meinung in der Öffentlichkeit in der Regel zurückhalten, um sich vor negativen Konsequenzen wie Benachteiligungen in der Familie, im sozialen Umfeld, auf dem Ausbildungs-/Arbeitsplatz, in der Schule, im Gesundheitssystem oder durch die Justiz zu schützen. Dieses politisch geschaffene Ungleichgewicht im Aushandlungsprozess von Drogen- und Suchtpolitik darf bei der Aushandlung des CanG nicht weiter von großen Teilen des Parlaments übersehen werden. (Siehe: idpc „20 Grundsätze für eine sozial gerechte Legalisierung“, Punkte 5–8)
Philine Edbauer und Antonia Luther
Für die MyBrainMyChoice Initiative, 16.8.2023
Kontakt: team [at] mybrainmychoice . de
Ressourcen:
Transform Foundation: „Cannabis Regulieren: Ein Praxisleitfaden“ (Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe von der MyBrainMyChoice Initiative und Akzept e.V., mit Unterstützung der Deutschen Aidshilfe, Students for Sensible Drug Policy (SSDP) Berlin, JES Bundesverband und Schildower Kreises)
International Drug Policy Consortium (idpc): „20 Grundsätze für eine sozial gerechte Legalisierung“ (Herausgabe der deutschen Übersetzung: MyBrainMyChoice Initiative und Students for Sensible Drug Policy (ssdp) Berlin)
[…] Gesetz gleichzeitig beschlossen wurde, aufmerksam zu machen. Wir haben seit letztem Sommer vor den „unbeabsichtigten Folgen“ gewarnt, aber es hat kaum wen interessiert und ohne öffentliches Interesse gibt es kein besseres […]
[…] an den Rechts- und Innenausschuss des Bundestags zusammen mit unserem Appell „Unbeabsichtigte Folgen“ des CanG sind vermeidbar!und den 20 Grundsätzen für eine verantwortungsvolle Legalisierung von Cannabis von IDPC. Beim […]
[…] an den Rechts- und Innenausschuss des Bundestags zusammen mit unserem Appell „Unbeabsichtigte Folgen“ des CanG sind vermeidbar! und den 20 Grundsätzen für eine verantwortungsvolle Legalisierung von Cannabis von IDPC. […]
[…] damit eine politische Reform nicht mit demselben vom gleichen endet, wie es gerade beim CanG zu befürchten ist. Das Cannabisgesetz hat immer noch ein enorm großes Potenzial und ist immer noch ein risiger […]
[…] […]
[…] Kompletter Appell: https://mybrainmychoice.de/appell-cannabisgesetz/ […]